Quality Assurance oder Qualitätssicherung wird heute gern mit Qualitätsmanagement gleichgesetzt oder wird als Thema der Industrie verstanden. Aber ist es das wirklich? Und warum sollten sich auch Dienstleistungsunternehmen wie Spitäler, Hotels, Versicherungen und Banken bewusster mit Quality Assurance auseinandersetzen, anstatt sich nur auf die Zertifizierungen bzw. Rezertifizierungen zu konzentrieren?
Geschichtlich hat die Quality Assurance ihren Ursprung durchaus in der Kontrolle und Überprüfung von Produkten. Einst noch mit dem Ziel, die Echtheit eines Produktes durch eine (Qualitäts-)Kontrolle mit Brief und Siegel zu bestätigen und Kunden so vor Fälschungen zu schützen. Später dann, um am Ende von Produktionsabläufen im «Aschenputtel-Prinzip» gute von schlechter Ware auszusortieren.
Früher wie heute immer mit dem Ziel: die Anforderungen der Kunden zu erfüllen.
Heute sind die Anforderungen von Kunden differenzierter: Sie beziehen Serviceleistungen vor, während und
nach der Erbringung der Leistung und auch Fragen zur Nachhaltigkeit oder Social
Resposibility spielen eine Rolle. Die reine Bestätigung der Konformität oder
gar Echtheit von Produkten ist daher nicht mehr ausreichend.
Quality Assurance ist «operatives Qualitätsmanagement», fokussiert auf die wertschöpfenden Prozesse und das über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts oder einer Dienstleistung.
Die Fähigkeit, Prozesse ganzheitlich zu denken, ist die Gunst der Stunde – und fordert neues Denken von Qualitätsmanager*innen.
Neue Kundenanforderungen wachsen aus den Nachhaltigkeitsstrategien vieler Unternehmen: Nachhaltige Produkte und Dienstleistungskonzepte und gelebte Ressourcenschonung in den Prozessen rücken in den Vordergrund. Zeitliche Fristen für eine Umsetzung sind vielfach bereits gesetzt, die Kosten rücken etwas in den Hintergrund, aber Abstriche bei der Qualität werden nicht akzeptiert.
Hier gewinnt die Sicherung von Qualität plötzlich eine neue Bedeutung – in produzierenden Betrieben genauso wie in Dienstleistungs- oder Handelsunternehmen. Plötzlich müssen sich Qualitätsmanager*innen, die bislang für Dokumentenmanagement, Audits, Zertifizierungen, kontinuierliche Verbesserungen oder Reklamationen zuständig waren, mit Fragen rund um Lebenszyklen auseinandersetzen. Dienstleistungen werden dabei immer relevanter: Wenn beispielsweise Kunden aus strategischen Gründen keine teuren grossen Baumaschinen mehr kaufen, sondern die Maschinen lieber genau dann leihen oder leasen, wenn sie sie wirklich brauchen. Plötzlich wird der Maschinenhersteller also zum Serviceanbieter. Dabei erwarten die Kunden von den Organisationen– seien es nun Leasing-, Sharing-, Wartungs- oder Finanzierungslösungen – die Qualität, die sie vom Hersteller gewohnt sind. Fällt die Dienstleistung qualitativ schlechter aus, kann das schnell zu Imageverlust führen. Für eine Unternehmung, die erprobt und geübt ist im Herstellen hochwertiger, zuverlässiger Produkte, sind Dienstleistungsangebote oft Neuland. In diesem Bereich müssen sie ihre Prozesse erst aufbauen und muss in «Service-Qualität» erst investiert werden.
Es lohnt sich also, Quality Assurance vor allem bei Dienstleistungen von Anfang an professionell umzusetzen. Eindrücklich wird das zum Beispiel beim Patientenversorgungsprozess in einem Spital klar: Auf einer geriatrischen Abteilung werden alte Menschen mit vielen verschiedenen Vorerkrankungen behandelt. Die Patientinnen und Patienten kommen dementsprechend wegen akuten Beschwerden ins Spital und bringen bereits viele Medikamente und Diagnosen mit. Sie werden therapiert, neue Medikamente kommen hinzu, andere fallen weg, Medikamentendosen ändern womöglich. Beim Austritt aus dem Spital muss die Medikation an alle relevanten Stakeholder rechtzeitig kommuniziert werden: Angehörige, Spitex, Pflegeheime, Hausärzte und natürlich muss der Patient bzw. die Patientin informiert sein. Wie funktioniert Quality Assurance in diesem Prozess? Wie wird sichergestellt, dass Pflege, Ärzte und Therapeuten im Spital bei Eintritt alle Medikamente kennen? Wie wird sichergestellt, dass alle Patientinnen und Patienten auf der Station im Spital zur richtigen Zeit ihr richtiges Medikament erhalten? Wie wird sichergestellt, dass bei Medikationsänderungen die Verträglichkeit geprüft wird, dass Nebenwirkungen be- und erkannt werden, dass die Einnahme der Medikamente auch ausserhalb des Spitals fachgerecht erfolgt? Alle diese Fragen haben mit Quality Assurance zu tun. Und diese darf keinen Fall erst dann zum Zug kommen, wenn etwas schief gegangen ist.
Beim ersten Mal richtig machen, Reduzierung von Ressourcenverschwendung durch Fehler, funktionierende Partnerschaften und Lieferketten und ganzheitlich gedachte Produkt- und Prozessentwicklung von der Kundenanforderung bis zur langfristig gedachten Kreislaufwirtschaft sind die Herausforderungen unserer Zeit.
Die Qualitätssicherung muss also den vertrauten Platz im Schutze der Produktion verlassen und die Gunst der Stunde nutzen, um den eigenen Spielraum zu erweitern. Konkret heisst das: Prozesse müssen ganzheitlich betrachtet werden.
Auch im produzierenden Gewerbe gewinnt Quality Assurance weiter an Bedeutung: Wer heute Produkte herstellt, muss bereits im Entwicklungsprozess mit Qualitätssicherung beginnen. Bereits dort gilt es, robuste Produkte und Prozesse zu designen um präventiv Fehler zu vermeiden, anstatt diese erst in der Produktion zu bemerken und zu eliminieren. So können Geld, Zeit und Material eingespart werden. Es geht aber noch weiter: Im Sinne eines ganzheitlichen Verständnisses für den Lebenszyklus von Produkten und Dienstleistungen muss Qualitätssicherung über das eigene Unternehmen hinausgehen und Lieferanten sowie Transportwege ebenfalls einschliessen.
Auch die Langlebigkeit eines Produkts, welche durch das Design bestimmt wird, muss berücksichtigt werden: Wie viele Jahre hält das Produkt, kann es wiederverwendet werden, und wenn es das Lebenszyklus-Ende erreicht hat, was geschieht dann mit dem Produkt? Kann es recycelt werden oder rezykliert?
4 Tipps für Quality Assurance
- Von der Kundenanforderung bis zur Wiedergeburt: Prozesse ganzheitlich betrachten heisst, dass man bei den Kundenanforderungen beginnen und über das Lebensende der Produkte oder Dienstleistungen hinausdenkt.
- Keine Dienstleistung ohne Quality Assurance: Wer als Anbieter von Dienstleistungen Kunden und Kundinnen gewinnen oder halten will, muss Prozesse sicher machen, und zwar von Anfang an. Enttäuschte Kunden kommen nämlich nicht wieder und in Prozessen, in denen es um Leben und Gesundheit geht, kommen Prozessunsicherheiten teuer zu stehen – nicht nur finanziell.
- Alles richtig machen vom ersten Mal an: Qualitätssicherung in Entwicklungsprozessen ist hier die Zauberformel. Ressourcenverschwendung kann man reduzieren, indem Fehler von vornherein vermieden, anstatt im Produktionsprozess oder noch später entdeckt und behoben werden.
- Zusammen geht’s besser: Funktionierende Partnerschaften und Lieferketten aufbauen, um zusammen die Qualität sicherzustellen – über den gesamten Produktlebenszyklus.