14.09.2023

Routine ist gut, Ablenkung ist schlecht für die Sicherheit – stimmt das?


Nachlese QQ-Impuls

QQ-Impuls: Routine ist gut, Ablenkung ist schlecht für die Sicherheit – stimmt das?
Ver­ur­sa­chen er­fah­re­ne Mit­ar­bei­ten­de we­ni­ger Feh­ler und Un­fäl­le, weil sie mehr Rou­ti­ne ha­ben? Und wel­che Rol­le spie­len Ab­len­kungs­fak­to­ren, wenn es um Si­cher­heit geht?

An die­sem QQ-Im­puls zeig­te Lu­kas Mat­ter, Lei­ter Si­cher­heit, Qua­li­tät und Um­welt Re­gi­on Mit­te bei SBB In­fra­struk­tur, sei­ne Er­fah­run­gen auf und er­läu­ter­te, wie Mit­ar­bei­ten­de für Si­cher­heit sen­si­bi­li­siert wer­den kön­nen.

Rou­ti­ne ist gut, Ab­len­kung ist schlecht für die Si­cher­heit.
Die Fra­ge ist, ob das in je­dem Fall gilt.

Berufsunfälle nach Altersklassen

Hier geht es um Be­rufs­un­fäl­le in ei­ner pro­duk­ti­ven Ein­heit der SBB.
Es fällt auf, dass un­ter 20-Jäh­ri­ge we­sent­lich mehr Un­fäl­le er­lei­den. Bei den über 50-jäh­ri­gen neh­men die Un­fäl­le dann wie­der deut­lich zu.

Bei den jun­gen Män­nern bis 25 Jah­re ist Ab­len­kung gros­ses The­ma. Die­se Ge­ne­ra­ti­on ist mit dem Smart­pho­ne auf­ge­wach­sen und stän­di­ge Er­reich­bar­keit ge­wohnt – der Blick aufs Han­dy zwi­schen­durch ist ganz nor­mal. Auch die Ri­si­ko­af­fi­ni­tät ist in die­sem Al­ter ver­mut­lich grös­ser.

Bei den äl­te­ren Mit­ar­bei­tern spielt die Rou­ti­ne nicht nur ei­ne po­si­ti­ve Rol­le. Sie hin­ter­fra­gen Ab­läu­fe nicht mehr so stark und ma­chen Din­ge so, wie sie sie im­mer schon ge­macht ha­ben. «Es ist ja im­mer gut ge­gan­gen.» Sie füh­len sich zu si­cher.
Ab­len­kung spielt je­doch auch bei äl­te­ren Mit­ar­bei­ten­den ei­ne Rol­le. Sie sind viel­leicht nicht so häu­fig am Smart­pho­ne wie die Jun­gen, da­für brau­chen sie län­ger, um et­was da­mit zu er­le­di­gen und sind in die­ser Zeit kom­plett ab­sor­biert. Die Jun­gen ent­wickeln bei kör­per­li­chen Tä­tig­kei­ten sehr schnell ei­ne Rou­ti­ne und wer­den da­durch un­auf­merk­sa­mer.

Fa­zit: Es wä­re zu ein­fach zu sa­gen, die Jun­gen sei­en im­mer ab­ge­lenkt und die Al­ten durch zu viel Rou­ti­ne un­auf­merk­sam.

Wie sieht es mit der Sicherheit in der Freizeit aus?

Auch in der Frei­zeit ha­ben die Jun­gen mehr Un­fäl­le als die Al­ten. Ab­len­kung kom­bi­niert mit Über­schät­zung kann zu Un­fäl­len füh­ren.

Mit zu­neh­men­dem Al­ter führt man ten­den­zi­ell ein ru­hi­ge­res, ge­sün­de­res Le­ben. Bö­se Zun­gen könn­ten be­haup­ten, je län­ger das Le­ben dau­ert, de­sto lang­wei­li­ger wird es. Die Men­schen wer­den ver­nünf­ti­ger, aber auch be­que­mer. Vom Si­cher­heits­as­pekt her ist das nicht schlecht. In die­sem Fall trifft es zu, dass Ab­len­kung schlecht und Rou­ti­ne hilf­reich ist.

Warum lassen wir uns ablenken?

Wir schwan­ken zwi­schen dem Wunsch nach Ent­span­nung und Auf­re­gung. Wenn wir uns lang­wei­len, su­chen wir Ab­wechs­lung. Dar­auf folgt dann wie­der das Be­dürf­nis nach Ent­span­nung. Un­ser Ge­hirn möch­te et­was ler­nen, um sich wei­ter­zu­ent­wickeln, braucht aber auch Ru­he und Ent­span­nung.

Warum gibt es Routinen oder Automatismen?

Rou­ti­nen hel­fen uns, nicht zu viel En­er­gie auf all­täg­li­che Tä­tig­kei­ten wie at­men, lau­fen, le­sen und schrei­ben zu ver­wen­den. Wür­den wir über al­le die Tä­tig­kei­ten nach­den­ken müs­sen, wä­re un­ser Hirn schnell über­la­stet.

Wie ent­wickeln wir Rou­ti­nen?

Wenn wir et­was ler­nen und ei­ne Rou­ti­ne ent­wickeln, bil­den sich in un­se­rem Hirn neue Ver­bin­dun­gen zwi­schen Ner­ven­zel­len. So ent­ste­hen kreuz und quer durch un­ser Hirn lau­ter Netz­wer­ke, die ver­schie­de­ne Hirn­be­rei­che mit­ein­an­der ver­bin­den. An­fangs sind die ein­zel­nen Ver­bin­dun­gen wie klei­ne Tram­pel­pfa­de durch ei­nen Dschun­gel. Je mehr das neu Er­lern­te trai­niert wird, um­so mehr wach­sen die­se Ver­bin­dun­gen, sie wer­den im­mer brei­ter, und ir­gend­wann ist aus dem Tram­pel­pfad ei­ne Au­to­bahn ge­wor­den. Man kann es sich auch wie ei­nen Mus­kel, der durch Trai­ning grös­ser und stär­ker wird, vor­stel­len. Un­se­re Rou­ti­nen ent­spre­chen brei­ten Au­to­bah­nen im Hirn, die ganz au­to­ma­tisch be­fah­ren wer­den, oh­ne dass wir dar­über nach­den­ken müs­sen. Die Tä­tig­keit Au­to­fah­ren ist ein gu­tes Bei­spiel da­für: ir­gend­wann muss man nicht mehr über­le­gen, wann man bremst, blinkt oder schal­tet, son­dern al­les läuft «au­to­ma­tisch» ab auf der Au­to­bahn, die im Hirn da­für trai­niert wur­de.

Rou­ti­nen sind je­doch nicht im­mer po­si­tiv, Rou­ti­ne muss manch­mal auch wie­der ab­trai­niert wer­den. Sich et­was wie­der ab­zu­ge­wöh­nen, ist wo­mög­lich so­gar noch müh­sa­mer, als et­was neu zu er­ler­nen.


Die be­stehen­den Au­to­bah­nen im Hirn müs­sen da­bei im­mer wie­der be­wusst ver­mie­den und um­fah­ren wer­den, da­mit neue Ver­bin­dun­gen eta­bliert wer­den kön­nen. Dies er­klärt, war­um Men­schen es schwer fin­den, plötz­lich et­was an­ders ma­chen zu müs­sen. Es braucht Ver­ständ­nis und viel Ge­duld, wenn je­man­dem et­was «ein­fach nicht in den Kopf» will.

Wann ist Routine schlecht?

Rou­ti­nen sind ne­ga­tiv, wenn man et­was schon so oft ge­macht hat, dass man es nicht mehr hin­ter­fragt und nicht mehr auf Un­er­war­te­tes ein­ge­hen kann. Man ver­liert den Blick fürs gros­se Gan­ze und ar­bei­tet ein­fach stur nach Check­li­ste.

Wann ist Ablenkung gut?

Ab­len­kung kann hel­fen, aus der Mo­no­to­nie aus­zu­bre­chen und wie­der ak­ti­viert zu wer­den. Es kön­nen be­wusst Ab­wei­chun­gen in ei­nen Ab­lauf ein­ge­baut wer­den, da­mit die Mit­ar­bei­ten­den auf­merk­sam sein müs­sen und sich nicht dar­an ge­wöh­nen, dass sie nie ei­ne Ab­wei­chung fin­den.

Situationsbewusstsein am Beispiel der Berufsfeuerwehr

Rou­ti­nen sind ne­ga­tiv, wenn man et­was schon so oft ge­macht hat, dFeu­er­wehr­leu­te in der Aus­bil­dung müs­sen sich dar­auf kon­zer­tie­ren, dass sie die Ge­rä­te be­die­nen kön­nen. Da­durch sind sie stark mit sich selbst be­schäf­tigt und neh­men we­ni­ger wahr, was um sie her­um ge­schieht.


Er­fah­re­ne Feu­er­wehr­leu­te hin­ge­gen er­le­di­gen ih­re Kern­auf­ga­ben au­to­ma­tisch, sie müs­sen nicht mehr dar­über nach­den­ken, wie sie ein Ar­beits­ge­rät be­die­nen, son­dern kön­nen sich zu­sätz­lich auf die Um­ge­bung und po­ten­zi­el­le Ge­fah­ren ach­ten und ent­spre­chend re­agie­ren und so viel­leicht Un­fäl­len vor­beu­gen. Sie sind sich der Si­tua­ti­on be­wusst.

9 Tipps gegen Ablenkung im Büro

Ab­len­kung kann hel­fen, aus der Mo­no­to­nie aus­zu­bre­chen und wie­der ak­ti­viert zu wer­den. Es kön­nen be­wusst Ab­wei­chun­gen in ei­nen Ab­lauf ein­ge­baut wer­den, da­mit die Mit­ar­bei­ten­den auf­merk­sam sein müs­sen und sich nicht dar­an ge­wöh­nen, dass sie nie ei­ne Ab­wei­chung fin­den. Via QR-Code ge­langst Du zum voll­stän­di­gen Ar­ti­kel.


Tipp 1: Ver­mei­de Mul­ti­tas­king

Die Ver­su­chung, Mail, Han­dy und News per­ma­nent im Blick zu ha­ben ist gross. Set­ze den Fo­kus auf ei­ne Sa­che und ma­che eins nach dem an­de­ren an­statt al­les gleich­zei­tig.

Tipp 2: Ver­zich­te auf stän­di­ge Er­reich­bar­keit
Schal­te Be­nach­rich­ti­gun­gen aus und pla­ne Zeit­fen­ster ein, um Mails an­zu­schau­en, zu te­le­fo­nie­ren oder auf Nach­rich­ten zu ant­wor­ten.

Tipp 3: Blockie­re In­ter­net­sei­ten
Blockie­re News­sei­ten, um Dich zu we­ni­ger Me­di­en­kon­sum zu zwin­gen.

Tipp 4: Ver­mei­de Ver­mei­dung
Ge­he lä­sti­ge Auf­ga­ben di­rekt in den er­sten 10 Mi­nu­ten an und blei­be wirk­lich 10 Mi­nu­ten dran. Die er­ste Hür­de ist dann ge­nom­men und es fällt Dir leich­ter, die Auf­ga­be zu be­en­den.

Tipp 5: Nut­ze To-do-Li­sten
Über­le­ge Dir bei Dau­er­stress, was Du wirk­lich ma­chen musst, und schrei­be Dir ei­ne Li­ste. Über­prü­fe die Li­ste im Lau­fe des Ta­ges.

Tipp 6: Pro­bie­re die Zwei-Mi­nu­ten-Re­gel
Manch­mal ist es hilf­reich, Klei­nig­kei­ten, al­so al­les, was sich in Zwei-Mi­nu­ten er­le­di­gen lässt, schnell zu er­le­di­gen. Du läufst al­ler­dings auch Ge­fahr, da­durch die Auf­ga­ben lie­gen zu las­sen, die et­was mehr Zeit in An­spruch neh­men. Dann hilft es, Zeit­fen­ster für das Ab­ar­bei­ten von «klei­nen» Auf­ga­ben zu de­fi­nie­ren.

Tipp 7: Übe die Po­mo­do­ro-Tech­nik
Stell Dir ei­nen Wecker auf 25 Mi­nu­ten und kon­zen­trie­re Dich in die­ser Zeit aus­schliess­lich auf das The­ma, das Du Dir vor­ge­nom­men hat. Das ist Aus­dau­er­trai­ning für Dei­ne Kon­zen­tra­ti­on.

Tipp 8: Nimm Ab­len­kung be­wusst wahr
Nimm be­wusst war, was Dich ab­ge­lenkt und ge­he dann da­ge­gen vor.

Tipp 9: Schaf­fe ei­ne reiz­ar­me Um­ge­bung
Lu­kas emp­fiehlt hier Kopf­hö­rer, denn durch das Tra­gen von Kopf­hö­rern sen­det man das Si­gnal: «Ich möch­te Ru­he.»

So beruhigen sich Navy Seals

Manch­mal ist es über­le­bens­wich­tig, sich zu be­ru­hi­gen und sich auf das We­sent­li­che zu kon­zen­trie­ren.


Hier der Tipp der Na­vy Se­als:

Be­wusst 4 Se­kun­den ein­at­men, 4 Se­kun­den die Luft an­hal­ten, 4 Se­kun­den aus­at­men und wie­der 4 Se­kun­den die Luft an­hal­ten. Die­sen Ab­lauf ein paar­mal wie­der­ho­len. Durch den leich­ten Sau­er­stof­fent­zug lässt Ner­vo­si­tät und An­span­nung nach. Man kann sich fra­gen: «Wo ste­he ich ge­ra­de, wor­auf muss ich ach­ten und was ist wich­tig?». So schafft man Si­tua­ti­ons­be­wusst­sein.

SUVA – Safety Flash

Die­se Kurz­vi­de­os der SU­VA bil­den ei­ne idea­le Grund­la­ge, um kon­kre­te Un­fall­bei­spie­le zu dis­ku­tie­ren und die Mu­ster, die zu den Un­fäl­len füh­ren, zu än­dern.

Via QR-Code ge­langst Du zu den Vi­de­os.

Was tun gegen schlechte Routinen?

Wir nei­gen da­zu, Din­ge, die je­den Tag gleich ab­lau­fen, für un­ge­fähr­lich zu hal­ten. Aus Rou­ti­ne­ab­läu­fen kön­nen al­so Un­fäl­le ent­ste­hen.

 

Da­ge­gen hilft:


  • Ma­che Dir au­to­ma­ti­sier­te Me­cha­nis­men be­wusst
  • Be­kämp­fe Be­triebs­blind­heit
  • Vor­ge­setz­te müs­sen wis­sen, wie ih­re Mit­ar­bei­ten­den ar­bei­ten. In­dem sie ih­nen zu­schau­en und mit ih­nen spre­chen, soll­ten sie die Ab­läu­fe ken­nen­ler­nen und ver­ste­hen. Nur so kön­nen sie po­ten­zi­el­le Ge­fah­ren er­ken­nen und vor­beu­gen.


Die Macht der Rou­ti­ne soll­te nicht un­ter­schätzt wer­den. Ei­ne al­te An­ge­wohn­heit er­satz­los aus dem Ta­ges­ab­lauf zu strei­chen, kann schwie­rig sein. Bes­ser ist es dar­um, die al­te Ge­wohn­heit durch et­was Neu­es zu er­set­zen. Wenn man bei­spiels­wei­se auf­hört zu rau­chen, kann es hel­fen, die Pau­sen an der fri­schen Luft wei­ter­hin zu ma­chen und statt der Zi­ga­ret­te zu rau­chen da­bei Obst zu es­sen.

Auch gu­te Ge­wohn­hei­ten kann man sich an­trai­nie­ren.
Ge­wohn­hei­ten, die der Si­cher­heit die­nen, so­ge­nann­te «Ge­stes mé­tiers», sind zum Bei­spiel:

  • Sei­ten­blick beim Über­ho­len.
  • Au­to­tür mit der rech­ten Hand öff­nen, da­mit man sieht was von hin­ten kommt.
  • «Rad steht - Kind geht».  Kin­der ler­nen, erst die Stras­se zu über­que­ren, wenn das Rad des Fahr­zeugs vor dem Ze­bra­strei­fen wirk­lich still­steht.
  • Vor ei­ner Trep­pe kurz in­ne­hal­ten. Lu­kas selbst ver­sucht, vor dem Be­tre­ten ei­ner Trep­pe das Smart­pho­ne weg­zu­packen. Und wenn er es ver­gisst, ist er froh, wenn sei­ne Team­kol­le­gen im SBB-Ge­bäu­de ihn dar­an er­in­nern. Schliess­lich ist man nur glaub­wür­dig, wenn man mit gu­tem Bei­spiel vor­an­geht.

Fa­zit

  • Ab­len­kung droht (fast) im­mer und über­all.
  • Er­fah­rung schafft Rou­ti­ne, gleich­zei­tig steigt aber die Ge­fahr von Un­auf­merk­sam­keit.
  • Ab­len­kung ist oft schlecht für die Si­cher­heit. Rou­ti­ne ist oft gut für die Si­cher­heit – es gibt aber gros­se «Auf­pass­fel­der».
  • Je bes­ser wir die The­ma­tik ken­nen, de­sto bes­ser kön­nen wir da­mit um­ge­hen. Den­ke an das Si­tua­ti­ons­be­wusstein!

Wenn Du die Power­Point-Prä­sen­ta­ti­on down­loa­den möch­test, dann klicke hier auf die­sen Link. Wei­te­re QQ-Im­pul­se fin­dest Du je­weils auf un­se­rer Web­sei­te bei den Events.


Ha­ben wir Dich neu­gie­rig ge­macht? Möch­test Du noch mehr wis­sen? Nach­fol­gend ha­ben wir ein paar Wei­ter­bil­dun­gen für Dich zu­sam­men­ge­stellt:

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