Zuhören, «Nein» sagen und Filtern – das sind Schlüsselfaktoren, die Rafael Arn braucht, um als Qualitätsmanager bei der Post erfolgreich zu sein. Der gelernte Polymechaniker hat inzwischen fast 10 Jahre Erfahrung im Qualitätsmanagement. Sein Weg führte ihn unter anderem nach Japan, um dort die KAIZEN-Lebens- und Arbeitsphilosophie selbst zu erleben. Im Interview hat Rafael uns erzählt, wie er mit aktuellen Herausforderungen, die seine Tätigkeit birgt, umgeht und woher er Wertschätzung für seine Arbeit bekommt.
Wieso bist Du im Qualitätsmanagement tätig? Zufall oder Herzblut?
Ich habe einen technischen Hintergrund und habe meine ersten Schritte im Qualitätsmanagement in der Industrie gemacht. Zuerst beschäftigte ich mich mit Qualitätssicherung und Messtechnik, danach wurde ich schnell mit Zertifizierungen und der Neugestaltung von Managementsystemen konfrontiert. Dieser erste Schritt war schon eher zufällig. Erst als ich mich für ein Nachdiplomstudium in Betriebswirtschaft und ein darauffolgendes EMBA entscheiden habe, kam der bewusste Entscheid, ins Qualitätsmanagement einzusteigen. Ich bin im Qualitätsmanagement tätig, weil ich so eine holistische Sicht über eine Unternehmung erhalte und somit die Zusammenhänge verstehen und mitgestalten kann.
Welches ist Deine persönliche Erfolgsgeschichte als Qualitätsmanager?
Das ist eine schwierige Frage. Was ist überhaupt Erfolg oder eine Erfolgsgeschichte? Ich bin der Meinung, wir müssen Erfolg langfristiger definieren. Gerade im Umfeld des Qualitätsmanagements. Zu einer Erfolgsgeschichte im Qualitätsmanagement gehören für mich nicht erreichte Meilensteine, abgeschlossene Projekte oder implementierte Systeme. Wenn ich dem Unternehmen einen Nutzen bringe, dann ist das für mich nachhaltiger Erfolg. Bis im Qualitätsmanagement Erfolg sichtbar wird, braucht es viel Zeit.
Du hast sicher auch Themen, wo Du nicht so vorankommst, wie Du es Dir wünschst. Was sind Gründe, wenn es stockend läuft?
Ja, natürlich gibt es auch bei mir Themen, die nur langsam vorankommen. Aktuell beschäftigt mich zum Beispiel die Thematik der Geschäftsmodelle und deren Einfluss auf das Qualitätsmanagement. Wenn das Geschäftsmodell einer Unternehmung ändert, muss sich auch das Qualitätsmanagement verändern. Es braucht plötzlich neue Werkzeuge, Methoden und Vorgehensweisen. Dann sind wir sofort im Thema Change-Management und bei der Schwierigkeit, herauszufinden, wie das Qualitätsmanagement die Organisation dabei unterstützen kann.
Wie wichtig ist die interne und externe Vernetzung für Deine Rolle?
Für Qualitätsmanager*innen ist die interne Vernetzung meines Erachtens eine Schlüsselfähigkeit. Nur wenn man einen ganzheitlichen Blick auf die Unternehmung hat, kann man sinnvolle Aktionen initiieren. Die Vernetzung hilft einem dabei, die Unternehmung zu spüren und herauszufinden, wer was wo mit wem und warum macht.
Die externe Vernetzung im Thema Qualitätsmanagement fällt mir noch schwer. In meinem Umfeld gibt es aktuell wenig Austauschmöglichkeiten. Insbesondere bei den grossen Unternehmungen in der Schweiz fehlt mir der unternehmensübergreifende Austausch. Ich habe das Gefühl, die externe Vernetzung hat noch unausgeschöpftes Potential. Ich wäre gerne bereit, hier mitzuwirken.
Was ist Deine wichtigste Fähigkeit im Job und wie entwickelst Du diese weiter?
Ich interpretiere meine Rolle als Qualitätsmanager eher als Unternehmensentwickler, denn aus meiner Sicht ist das klassische «Command and Control»-Vorgehen vorbei. Qualitätsmanager*innen von heute sollten meines Erachtens Brücken zwischen unterschiedlichen Disziplinen bauen. Sie sollten in der Lage sein, das gesamte Unternehmen hierarchieübergreifend zu beraten und zu coachen.
Demzufolge ist meine wichtigste Fähigkeit das Zuhören. Einfach zuhören und versuchen, die Problemstellungen oder die Anliegen zu verstehen und nicht sofort zu reagieren. Nur wenn ich verstehe, was die Organisation braucht, kann ich die richtigen Methoden und Konzepte einbringen.
Zur Frage wie ich die Fähigkeit weiterentwickle: Ich bin ein neugieriger Mensch. Mir macht es Freude, mir in den unterschiedlichsten Themengebieten Wissen anzueignen. Beispielsweise höre ich mir viele unterschiedliche Podcasts an. Ich versuche auch ausserhalb der Qualitätsmanagement-Welt dazuzulernen und mir Kompetenzen anzueignen, die ich wieder zurück ins Unternehmen bringen kann.
Welches ist Dein wichtigstes «Arbeitsinstrument»?
Bei «Arbeitsinstrument» denke ich sofort an technische Unterstützung, wie beispielsweise die Microsoft 365-Welt, die aus meiner Sicht viele Informationskanäle zusammenbringt und für mich aus diesem Grund sehr hilfreich ist. Da ich in unterschiedlichen Themengebieten und Arbeitsgruppen mitarbeite, schätze ich natürlich den Einsatz von digitalen Kanban-Boards und der Microsoft To Do-App, die mir alle Arbeitspakete und Notizen zusammenhält.
Ich bin jedoch der Meinung, dass es wenig sinnvoll ist, sich «Arbeitsinstrumente» zu suchen, die es einem ermöglichen, einfach noch mehr Arbeiten zu erledigen. Es ist mir wichtiger, zuerst herauszufinden welche Arbeiten sinnvoll sind.
Daher ist mein wichtigstes Arbeitsinstrument so etwas wie ein Filter. Ein Filter, der mir ermöglicht, Prioritäten festzulegen und wichtige Infos von weniger wichtigen zu trennen, der dabei aber genügend neue Infos, Trends oder Ideen von aussen zulässt, um diese zukünftig in meine Arbeit einfliessen zu lassen.
Wie gut gelingt es Dir, in Deiner Rolle selbst Prioritäten zu setzen oder mal zu etwas «Nein» zu sagen?
«Nein» sagen ist natürlich schwierig. Aber ich versuche es zumindest. Einfach zu allem «Nein» sagen, ist nicht die Lösung. Besser ist es, konstant nach dem Sinn respektive dem Nutzen für die gesamte Organisation zu fragen. Ich bin der Auffassung, dass bei den eigenen täglichen Aufgaben anfangen werden muss. Danach kann das Hinterfragen auf das eigene Team und die Organisation ausgeweitet werden. Ich habe den Eindruck, von aussen wird niemand kommen und sagen: «Macht das Thema XY zukünftig nicht mehr als Qualitätsmanagement- Team», sondern eher: «Könntet Ihr das Thema XY auch noch übernehmen».
Manchmal muss man auch den Mut haben, etwas nicht mehr zu tun. Als Qualitätsmanager*in kennen wir eigentlich die notwenigen Instrumente, um risikobasiert «Nein» zu sagen. Aber auch ich mache das noch viel zu wenig und kann hier noch an mir arbeiten.
Spürst Du als Qualitätsmanager in der Organisation Akzeptanz für deine Aktivitäten? Woher bekommst Du Wertschätzung für Deine Arbeit?
Wenn ich für meine Aktivitäten keine Akzeptanz erhalte, ist vielleicht die Aktivität nicht sinnvoll für die Organisation oder ich bin falsch vorgegangen.
Manchmal muss ich mir die Akzeptanz auch erarbeiten. Das gehört dazu. Hier versuche ich meistens, in kleinen Schritten vorwärtszukommen. Um sichtbar zu werden, muss man sich manchmal etwas exponieren. Man muss den Mitarbeitenden aufzeigen, dass ein Qualitätsmanagement nicht nur Dokumente verwaltet und Mitarbeitende mit Audits vom Arbeiten abhält, sondern dass ein Qualitätsmanagement den Mitarbeitenden Werkzeuge an die Hand gibt, mit denen sie ihre Probleme selbständig lösen und ihr Umfeld damit nachhaltig verbessern können.
Vielen Dank für das Interview, lieber Rafael. Wir werden an Dich denken, wenn wir das nächste Mal versuchen, «Nein» zu sagen. 😉