20.01.2022

New Quality Management: Wenn menschliche Sinnesorgane zu den wichtigsten Arbeitsinstrumenten werden

Newsbeitrag: Interview Rafael Arn

Zu­hö­ren, «Nein» sa­gen und Fil­tern – das sind Schlüs­sel­fak­to­ren, die Ra­fa­el Arn braucht, um als Qua­li­täts­ma­na­ger bei der Post er­folg­reich zu sein. Der ge­lern­te Po­ly­me­cha­ni­ker hat in­zwi­schen fast 10 Jah­re Er­fah­rung im Qua­li­täts­ma­nage­ment. Sein Weg führ­te ihn un­ter an­de­rem nach Ja­pan, um dort die KAI­ZEN-Le­bens- und Ar­beits­phi­lo­so­phie selbst zu er­le­ben. Im In­ter­view hat Ra­fa­el uns er­zählt, wie er mit ak­tu­el­len Her­aus­for­de­run­gen, die sei­ne Tä­tig­keit birgt, um­geht und wo­her er Wert­schät­zung für sei­ne Ar­beit be­kommt.

Wie­so bist Du im Qua­li­täts­ma­nage­ment tä­tig? Zu­fall oder Herz­blut?


Ich ha­be ei­nen tech­ni­schen Hin­ter­grund und ha­be mei­ne er­sten Schrit­te im Qua­li­täts­ma­nage­ment in der In­du­strie ge­macht. Zu­erst be­schäf­tig­te ich mich mit Qua­li­täts­si­che­rung und Mess­tech­nik, da­nach wur­de ich schnell mit Zer­ti­fi­zie­run­gen und der Neu­ge­stal­tung von Ma­nage­ment­sy­ste­men kon­fron­tiert. Die­ser er­ste Schritt war schon eher zu­fäl­lig. Erst als ich mich für ein Nach­di­plom­stu­di­um in Be­triebs­wirt­schaft und ein dar­auf­fol­gen­des EM­BA ent­schei­den ha­be, kam der be­wuss­te Ent­scheid, ins Qua­li­täts­ma­nage­ment ein­zu­stei­gen. Ich bin im Qua­li­täts­ma­nage­ment tä­tig, weil ich so ei­ne ho­li­sti­sche Sicht über ei­ne Un­ter­neh­mung er­hal­te und so­mit die Zu­sam­men­hän­ge ver­ste­hen und mit­ge­stal­ten kann.

Wel­ches ist Dei­ne per­sön­li­che Er­folgs­ge­schich­te als Qua­li­täts­ma­na­ger?


Das ist ei­ne schwie­ri­ge Fra­ge. Was ist über­haupt Er­folg oder ei­ne Er­folgs­ge­schich­te? Ich bin der Mei­nung, wir müs­sen Er­folg lang­fri­sti­ger de­fi­nie­ren. Ge­ra­de im Um­feld des Qua­li­täts­ma­nage­ments. Zu ei­ner Er­folgs­ge­schich­te im Qua­li­täts­ma­nage­ment ge­hö­ren für mich nicht er­reich­te Mei­len­stei­ne, ab­ge­schlos­se­ne Pro­jek­te oder im­ple­men­tier­te Sy­ste­me. Wenn ich dem Un­ter­neh­men ei­nen Nut­zen brin­ge, dann ist das für mich nach­hal­ti­ger Er­folg. Bis im Qua­li­täts­ma­nage­ment Er­folg sicht­bar wird, braucht es viel Zeit.

Du hast si­cher auch The­men, wo Du nicht so vor­an­kommst, wie Du es Dir wünschst. Was sind Grün­de, wenn es stockend läuft?


Ja, na­tür­lich gibt es auch bei mir The­men, die nur lang­sam vor­an­kom­men. Ak­tu­ell be­schäf­tigt mich zum Bei­spiel die The­ma­tik der Ge­schäfts­mo­del­le und de­ren Ein­fluss auf das Qua­li­täts­ma­nage­ment. Wenn das Ge­schäfts­mo­dell ei­ner Un­ter­neh­mung än­dert, muss sich auch das Qua­li­täts­ma­nage­ment ver­än­dern. Es braucht plötz­lich neue Werk­zeu­ge, Me­tho­den und Vor­ge­hens­wei­sen. Dann sind wir so­fort im The­ma Chan­ge-Ma­nage­ment und bei der Schwie­rig­keit, her­aus­zu­fin­den, wie das Qua­li­täts­ma­nage­ment die Or­ga­ni­sa­ti­on da­bei un­ter­stüt­zen kann.

Wie wich­tig ist die in­ter­ne und ex­ter­ne Ver­net­zung für Dei­ne Rol­le?


Für Qua­li­täts­ma­na­ger*in­nen ist die in­ter­ne Ver­net­zung mei­nes Er­ach­tens ei­ne Schlüs­sel­fä­hig­keit. Nur wenn man ei­nen ganz­heit­li­chen Blick auf die Un­ter­neh­mung hat, kann man sinn­vol­le Ak­tio­nen in­iti­ie­ren. Die Ver­net­zung hilft ei­nem da­bei, die Un­ter­neh­mung zu spü­ren und her­aus­zu­fin­den, wer was wo mit wem und war­um macht.


Die ex­ter­ne Ver­net­zung im The­ma Qua­li­täts­ma­nage­ment fällt mir noch schwer. In mei­nem Um­feld gibt es ak­tu­ell we­nig Aus­tausch­mög­lich­kei­ten. Ins­be­son­de­re bei den gros­sen Un­ter­neh­mun­gen in der Schweiz fehlt mir der un­ter­neh­mens­über­grei­fen­de Aus­tausch. Ich ha­be das Ge­fühl, die ex­ter­ne Ver­net­zung hat noch un­aus­ge­schöpf­tes Po­ten­ti­al. Ich wä­re ger­ne be­reit, hier mit­zu­wir­ken.

Was ist Dei­ne wich­tig­ste Fä­hig­keit im Job und wie ent­wickelst Du die­se wei­ter?


Ich in­ter­pre­tie­re mei­ne Rol­le als Qua­li­täts­ma­na­ger eher als Un­ter­neh­mens­ent­wick­ler, denn aus mei­ner Sicht ist das klas­si­sche «Com­mand and Con­trol»-Vor­ge­hen vor­bei. Qua­li­täts­ma­na­ger*in­nen von heu­te soll­ten mei­nes Er­ach­tens Brücken zwi­schen un­ter­schied­li­chen Dis­zi­pli­nen bau­en. Sie soll­ten in der La­ge sein, das ge­sam­te Un­ter­neh­men hier­ar­chie­über­grei­fend zu be­ra­ten und zu coa­chen.


Dem­zu­fol­ge ist mei­ne wich­tig­ste Fä­hig­keit das Zu­hö­ren. Ein­fach zu­hö­ren und ver­su­chen, die Pro­blem­stel­lun­gen oder die An­lie­gen zu ver­ste­hen und nicht so­fort zu re­agie­ren. Nur wenn ich ver­ste­he, was die Or­ga­ni­sa­ti­on braucht, kann ich die rich­ti­gen Me­tho­den und Kon­zep­te ein­brin­gen.

Zur Fra­ge wie ich die Fä­hig­keit wei­ter­ent­wick­le: Ich bin ein neu­gie­ri­ger Mensch. Mir macht es Freu­de, mir in den un­ter­schied­lich­sten The­men­ge­bie­ten Wis­sen an­zu­eig­nen. Bei­spiels­wei­se hö­re ich mir vie­le un­ter­schied­li­che Pod­casts an. Ich ver­su­che auch aus­ser­halb der Qua­li­täts­ma­nage­ment-Welt da­zu­zu­ler­nen und mir Kom­pe­ten­zen an­zu­eig­nen, die ich wie­der zu­rück ins Un­ter­neh­men brin­gen kann.

Wel­ches ist Dein wich­tig­stes «Ar­beits­in­stru­ment»?


Bei «Ar­beits­in­stru­ment» den­ke ich so­fort an tech­ni­sche Un­ter­stüt­zung, wie bei­spiels­wei­se die Mi­cro­soft 365-Welt, die aus mei­ner Sicht vie­le In­for­ma­ti­ons­ka­nä­le zu­sam­men­bringt und für mich aus die­sem Grund sehr hilf­reich ist. Da ich in un­ter­schied­li­chen The­men­ge­bie­ten und Ar­beits­grup­pen mit­ar­bei­te, schät­ze ich na­tür­lich den Ein­satz von di­gi­ta­len Kan­ban-Boards und der Mi­cro­soft To Do-App, die mir al­le Ar­beits­pa­ke­te und No­ti­zen zu­sam­men­hält.


Ich bin je­doch der Mei­nung, dass es we­nig sinn­voll ist, sich «Ar­beits­in­stru­men­te» zu su­chen, die es ei­nem er­mög­li­chen, ein­fach noch mehr Ar­bei­ten zu er­le­di­gen. Es ist mir wich­ti­ger, zu­erst her­aus­zu­fin­den wel­che Ar­bei­ten sinn­voll sind.


Da­her ist mein wich­tig­stes Ar­beits­in­stru­ment so et­was wie ein Fil­ter. Ein Fil­ter, der mir er­mög­licht, Prio­ri­tä­ten fest­zu­le­gen und wich­ti­ge In­fos von we­ni­ger wich­ti­gen zu tren­nen, der da­bei aber ge­nü­gend neue In­fos, Trends oder Ide­en von aus­sen zu­lässt, um die­se zu­künf­tig in mei­ne Ar­beit ein­flies­sen zu las­sen.

Wie gut ge­lingt es Dir, in Dei­ner Rol­le selbst Prio­ri­tä­ten zu set­zen oder mal zu et­was «Nein» zu sa­gen?


«Nein» sa­gen ist na­tür­lich schwie­rig. Aber ich ver­su­che es zu­min­dest. Ein­fach zu al­lem «Nein» sa­gen, ist nicht die Lö­sung. Bes­ser ist es, kon­stant nach dem Sinn re­spek­ti­ve dem Nut­zen für die ge­sam­te Or­ga­ni­sa­ti­on zu fra­gen. Ich bin der Auf­fas­sung, dass bei den ei­ge­nen täg­li­chen Auf­ga­ben an­fan­gen wer­den muss. Da­nach kann das Hin­ter­fra­gen auf das ei­ge­ne Team und die Or­ga­ni­sa­ti­on aus­ge­wei­tet wer­den. Ich ha­be den Ein­druck, von aus­sen wird nie­mand kom­men und sa­gen: «Macht das The­ma XY zu­künf­tig nicht mehr als Qua­li­täts­ma­nage­ment- Team», son­dern eher: «Könn­tet Ihr das The­ma XY auch noch über­neh­men».


Manch­mal muss man auch den Mut ha­ben, et­was nicht mehr zu tun. Als Qua­li­täts­ma­na­ger*in ken­nen wir ei­gent­lich die not­we­ni­gen In­stru­men­te, um ri­si­ko­ba­siert «Nein» zu sa­gen. Aber auch ich ma­che das noch viel zu we­nig und kann hier noch an mir ar­bei­ten.

Spürst Du als Qua­li­täts­ma­na­ger in der Or­ga­ni­sa­ti­on Ak­zep­tanz für dei­ne Ak­ti­vi­tä­ten? Wo­her be­kommst Du Wert­schät­zung für Dei­ne Ar­beit?


Wenn ich für mei­ne Ak­ti­vi­tä­ten kei­ne Ak­zep­tanz er­hal­te, ist viel­leicht die Ak­ti­vi­tät nicht sinn­voll für die Or­ga­ni­sa­ti­on oder ich bin falsch vor­ge­gan­gen.


Manch­mal muss ich mir die Ak­zep­tanz auch er­ar­bei­ten. Das ge­hört da­zu. Hier ver­su­che ich mei­stens, in klei­nen Schrit­ten vor­wärts­zu­kom­men. Um sicht­bar zu wer­den, muss man sich manch­mal et­was ex­po­nie­ren. Man muss den Mit­ar­bei­ten­den auf­zei­gen, dass ein Qua­li­täts­ma­nage­ment nicht nur Do­ku­men­te ver­wal­tet und Mit­ar­bei­ten­de mit Au­dits vom Ar­bei­ten ab­hält, son­dern dass ein Qua­li­täts­ma­nage­ment den Mit­ar­bei­ten­den Werk­zeu­ge an die Hand gibt, mit de­nen sie ih­re Pro­ble­me selb­stän­dig lö­sen und ihr Um­feld da­mit nach­hal­tig ver­bes­sern kön­nen.

Vie­len Dank für das In­ter­view, lie­ber Ra­fa­el. Wir wer­den an Dich den­ken, wenn wir das näch­ste Mal ver­su­chen, «Nein» zu sa­gen. 😉

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