Lieferantenaudits gewinnen immer mehr an Bedeutung. Idealerweise generieren sie einen Mehrwert in der gesamten Kette der Kunden- und Lieferantenprozesse. Sie tragen dazu bei, Chancen und Risiken einer Organisation zu erkennen und – wenn sie professionell durchgeführt werden – die Beziehung zwischen Kunden und Lieferanten zu intensivieren. Damit das gelingt, sollte man die fünf grössten Stolpersteine kennen, um sie vor dem Audit aus dem Weg zu räumen.
Erstes Problem:
Mangelnde Planung und Vorbereitung – nicht ohne Deinen Auditauftrag
Ein fehlender und nicht mit dem Auftraggeber abgestimmter Auditauftrag kann zu einem nicht akzeptablen Auditergebnis führen.
Lösung
Um dieses Problem zu lösen, solltest Du das Audit auf der Basis eines Auditauftrags und einer systematischen Vorgehensweise durchführen. Stimme die Inhalte, Ziele und Erwartungen vorher mit dem Auftraggeber, dem Auditteam und mit dem Lieferanten ab. Dies ist wichtig, um zu einem akzeptablen Auditergebnis und dessen Nutzen zu kommen.
Damit es zur Umsetzung kommt, haben sich die folgenden Fragestellungen in der Planung und im Auditauftrag beispielhaft als sinnvoll erwiesen:
Wer ist mein Auftraggeber?
Welche Informationen sind relevant, um die Organisation zu verstehen? Zum Beispiel Relevanz von spezifischen Rahmenbedingungen und interessierten Parteien einschätzen.
Welche relevanten Kompetenzen sollten im Team vorhanden sein?
Wähle nur Personen aus, die etwas beizutragen haben, z.B. Experten aus den Bereichen Qualität, Entwicklung oder Einkauf. Wenn dies nicht der Fall ist, solltest Du einen erfahrenen Auditor engagieren oder die möglichen Auditorinnen und Auditoren schulen.
Was sind die ermittelten Risiken dieses Lieferantenaudits?
Sammle aus Deinem unternehmensinternen Wissensspeicher für Produkt- und Prozessanforderungen relevante Informationen zusammen. Vergleiche im Anschluss die erhaltenen Antworten mit den bestehenden Anforderungen.
Zweites Problem:
Fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit des Lieferanten/Partners
Wenn der Lieferant (auch Partner genannt) keine relevanten Unterlagen im Kontext zum Auditauftrag bereitstellt, sich kontrolliert fühlt und unsicher ist, was ihn im Audit erwartet, kann dies die Durchführung des Audits beeinträchtigen.
Lösung
Stelle sicher, dass im Voraus geklärt ist, welche Unterlagen der Lieferant bereitstellen sollte, und informiere den Lieferanten im Voraus über das geplante Datum und den Grund des Audits. Es ist äusserst hilfreich, eine Zusammenarbeit mit dem Lieferanten zu fördern, indem man ihm die Bedeutung des Audits und den Nutzen für beide Parteien erläutert.
Drittes Problem:
Fehlendes Zuhören während des Audits
Mit dem Zitat: «Wer zuhören kann, erspart sich viele Worte», hat Ernst Ferstl wohl nicht ganz unrecht. Wenn wir aufmerksam zuhören und als Steigerung aktiv zuhören, passiert viel. Mehr als wir vielleicht denken.
Viele Auditorinnen und Auditoren hören sich häufig gerne selbst reden. Sie stellen der oder dem Auditierten eine Frage und hören dann gar nicht bewusst zu. Sie konzentrieren sich auf ihre Checkliste und sind womöglich im Kopf schon bei der nächsten Frage oder beim Auditbericht. Zumal eines der wichtigsten Güter im Audit – die Zeit – davonrennt. Das Ziel, durch das Audit einen objektiven Nachweis im Kontext des Auditauftrags zu erhalten, droht förmlich aus den Händen zu gleiten.
Damit dies nicht passiert, wirst Du mit der aufgeführten Lösung darauf sensibilisiert, wie Dir aktives Zuhören dabei hilft, wirksamer und erfolgreicher im Audit zu werden.
Lösung
Das Geheimnis liegt im aktiven Zuhören. Wie funktioniert das? Einige Beispiele:
- Zu Beginn des Audits: Versuche, keine «Front» zwischen Dir und Deinem Gegenüber durch aufgeklappte Laptops oder grosse Tische entstehen zu lassen. Setze Dich lieber «über Eck» anstatt gegenüber.
- Notiere Dir Deine erste Frage. Stelle sie klar und einfach und halte dann weiter Augenkontakt, während Dein gegenüber spricht.
- Lasse es zu, dass eine Pause des Schweigens entsteht, wenn Du Notizen machst.
- Frage unbedingt nach, falls Du etwas nicht richtig verstanden hast, z.B.: «Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann …»
- Mach Dir bewusst, dass die Person, die vor Dir sitzt, Experte in ihrem Gebiet ist, aber dass sie vielleicht nicht unbedingt die «Audit-Sprache» gewohnt ist. Frage nach und stelle Deine Fragen einfach. Du bist dafür verantwortlich, dass ihr Euch richtig versteht.
Du wirst sehen: Deine Akzeptanz als Auditorin bzw. Auditor wird dadurch sofort steigen.
Viertes Problem:
Geschlossene Fragen und ein zu hoher Redeanteil während des Audits
Das Pareto-Prinzip bzw. die 80/20-Regel ist nicht nur im Alltag und im Privatleben wichtig. Es kann für unterschiedliche Situationen im Lieferantenaudit angewendet werden.
Lösung

Um die Durchführung des Audits effizient und effektiv zu gestalten, solltest Du das Pareto-Prinzip bzw. die 20/80-Regel anwenden. Mit 20% Fokus auf Fragen erzeugst Du 80% der Ergebnisse in Form von Antworten (siehe nachfolgende Abbildung). Der Grund: Der eigene Gesprächsanteil reduziert die Menge an Informationen, die der Auditor in dem festgelegten Auditzeitraum aufnehmen kann.
Als Auditorin stellst Du offene Fragen und beurteilst diese objektiv vor Ort. Verwende bei Deinen Fragen unbedingt offene W-Fragen, um dem Gesprächspartner genügend Spielraum für die Antworten zu lassen.
Einige Beispiele:
- Wie stellen Sie sicher, dass …?
- Wie beurteilen Sie…?
- Wie funktioniert bei Ihnen …?
- Was sollten wir ändern, um die Anforderung zu erreichen?
- Welche möglichen Lösungsansätze sehen Sie?
- Welche davon können wir sofort und einfach umsetzen?
Fünftes Problem:
Fehlende zielorientierte Nachverfolgung
Wenn keine Massnahmen ergriffen werden, um Probleme und deren Ursache zu beheben, die während des Audits identifiziert wurden, kann dies zu einer Fortsetzung von Problemen führen.
Lösung
Versuche, einfach und schnell eine zeitnahe Nachbereitung des Audits durchzuführen. Nimm dazu Deine Auditnotizen, die Du während des Audits gemacht hast, und formuliere diese in Form eines Berichts aus.
Verwende für die Auditnachweise wenn möglich – und mit vorheriger Erlaubnis des Auditierten –, Bilder. Bilder beschreiben am besten das Gesehene. Fertige einen Bericht an, den alle Teilnehmenden spätestens drei Tage nach dem Audit erhalten.
Es ist wichtig, dass Du in der Massnahmenliste die Feststellungen (Verbesserungspotenziale oder Abweichungen) festhältst. Die dafür erforderlichen Massnahmen sollten nicht von Dir als Auditor bzw. Auditorin definiert werden, sondern ausschliesslich von der bzw. dem Auditierten. Das bezweckt zum einen, dass ein Auseinandersetzen mit dem Verbesserungspotenzial beim Lieferanten stattfindet und zum anderen die notwendige Akzeptanz der zu treffenden Massnahmen. Fordere eine verantwortliche Person für die Umsetzung und realistische Termine ein. Um die Wirkung des Audits festzustellen, ist eine Erfolgskontrolle, wenn notwendig vor Ort oder remote, für die termingerechte Massnahmenerledigung vorteilhaft.
Fazit
Die fünf aufgezeigten Probleme bei der Durchführung eines Lieferantenaudits kannst Du vermeiden, indem Du darauf achtest:
- Eine fokussierte und zielorientierte Planung und Vorbereitung mittels einem mit dem Auftraggeber, dem Auditteam und dem Lieferanten abgestimmten Auditauftrag durchzuführen.
- Dein Auditteam sorgfältig auszuwählen.
- Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Lieferanten anzustreben.
- Das Audits objektiv und wertschätzend durchzuführen und eine zielorientierte Nachverfolgung zu organisieren.