Im Studiengang «CAS Quality Assurance Life Cycle» durften wir einen Tag lang zuschauen und erleben, wie die Post sich mit Kaizen und Shopfloor-Management verbessert. Anikó Belal und Thomas Iff, beide zuständig für Unternehmensentwicklung, Qualitätsmanagement, Nachhaltigkeit und Kaizen bei der Schweizerischen Post, nahmen uns mit in die gelbe Welt.
Susan Čonka, die viel lieber Briefe als Managementbewertungen schreibt, begleitete unsere Studierenden und lernte, dass Schweizer*innen lieber Metall als Liebesgrüsse versenden und dass Roboter mit Farben und Glitzer überfordert sind. Hier ihr persönlicher Rückblick zum Praxistag im Briefzentrum Härkingen:
Auslaufmodell Liebesbrief
Es waren höchstens drei Personen, die ausser mir die Hand hoben, als Anikó und Thomas zu Beginn des Unterrichts die Frage in den Raum warfen: «Wer von Euch schreibt noch Briefe?» Zack – schnell wie die schweizerische Post waren meine Gedanken schon aus dem Meetingraum im Briefzentrum Härkingen weggeflogen zu dem grauen Novembermorgen im letzten Jahr, an dem ich 20 Sekunden vor Abfahrt meines Zuges den blauen Umschlag in den Briefkasten am Gleis warf. Die Adresse so leserlich, wie es mir möglich ist, mit Silberstift geschrieben, das Kuvert mit Vogelsticker und Lippenstiftkuss versiegelt, direkt vor dem Einwerfen noch mit Glitzerpuder eingestäubt.
Mein innerliches Lächeln verschwand schnell, als ich gedanklich wieder zu den Teilnehmenden um mich herum zurückkehrte und realisierte: Das ist ein aussterbendes Modell. Also nicht etwa die Liebe, nein, so schlimm ist es nicht, aber wohl die Art, Liebesbotschaften per Brief zu übermitteln. Schade für die geliebten Menschen und traurig für die Post. Immerhin, die Post kann sich damit trösten, dass sie statt Liebesbotschaften Rechnungen befördern kann. Die geliebten Menschen hätten unter Umständen weniger Freude daran, wenn sie statt Liebesbriefe unsere Rechnungen bekämen… Aber da fiel mir ein: Was macht mir Ende Monat immer Stress, wenn ich meine Rechnungen aus der Ablage nehme und zahle? Genau: Die Rechnungen in meinem E-Mail-Posteingang. Diese laufen immer wieder Gefahr, bei mir vergessen zu gehen. An der Post gehen sie sowieso vorbei. Also auch das für die Gelben nur ein kurzfristiges Ersatzgeschäft.
Die Profis für sicheren Transport
Seit 1849 gibt es die schweizerische Post, gelb wurde sie 1939. 1964 kamen die Postleitzahlen, 2013 wurde die Post eine Aktiengesellschaft und 2020 wurde die «Post von morgen» lanciert, bei der es um Effizienzsteigerung und um die gemischte Zustellung von Briefen und Paketen geht.
EFQM, Audits, Kaizen: lebendige kontinuierliche Verbesserung auf allen Ebenen
Schlüssel, Münzen und das weisse Band
Shopfloor und Liebe leben von Handschrift und Papier
Mein Hirn bringt mir mein blaues Kuvert mit der Silberadresse in Erinnerung und lässt die Frage aufblitzen, ob es okay war, dass ich dafür genauso viel Porto gezahlt habe wie für einen weissen Umschlag und ob genug Glitzerpuder auf dem Kuvert war, dass es für Sortierperson, Briefträger*in UND Empfänger genügte?
Damit die Boards funktionieren, wird mit Visualisierungen gearbeitet und Text wird von Hand auf die Boards geschrieben. Beim Shopfloor ist es genauso wie bei der Liebe: Handschriftliches auf Papier schafft Verbindlichkeit, wird besser erinnert und bewegt uns mehr als unpersönliche Zeichen am Bildschirm.
Vom Shopfloor gelernt: eine Initiative für Qualität und Nachhaltigkeit von Liebe
Nach vielen Beispielen, Einblicken, Fragen und Diskussionen rund um Verbesserungen im Logistikbereich der Schweizerischen Post, Organisation von Shopfloor und Mindset für Kaizen wartete das Mittagessen im gemütlichen Restaurant Lagune des Briefzentrums auf Teilnehmende und Dozierende. Nur ich musste mich leider verabschieden und auf den Weg machen zum nächsten Termin.
Im Zug beschäftigte mich die Sache mit meinen Liebesbriefen, die von Hand sortiert werden müssen. Wie kann ich mich bei der Post dafür bedanken, dass ich farbige Briefe mit Glitzeradresse genauso für CHF 1.10 verschicken darf wie einen hundskommunen weissen Umschlag? Da fiel mir der Satz von Thomas ein, den er am Morgen so beiläufig erwähnte: «Die Post kann die Schweizer Bevölkerung nicht dazu bewegen, mehr Liebesbriefe zu schreiben.» Gut, die Post kann das nicht, aber vielleicht können wir bei der SAQ-QUALICON etwas dafür tun? Schliesslich sind wir Profis fürs Lernen und Lernen hat immer mit Bewegung zu tun.
Mir gefällt die Idee, Menschen beizubringen, wie man richtig gute Liebesbriefe schreibt. Falls sich mindestens 10 Personen bei mir melden und Interesse bekunden, werde ich sofort einen Kurs dafür anbieten. Meldet Euch bei mir: susan.conka@saq-qualicon.ch – ich freue mich auf viele Zuschriften, mit oder ohne Glitzer!