Simon Hüppin ist Supplier Quality Engineer bei Accelleron, ehemals ABB Turbocharging. Einen Englischkurs musste Simon nicht besuchen, um mit den nichtdeutschsprachigen Lieferanten gute Beziehungen zu knüpfen. Stattdessen hat er sich zum diplomierten Qualitätsmanager weitergebildet und dabei gelernt, wie man sicher mit unterschiedlichen Stakeholdern kommuniziert. So liess er sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als wir ihn wenige Minuten vor seiner mündlichen Diplomprüfung noch für ein Interview zu seinem spannenden Job anfragten.
Wie lange bist Du schon im Unternehmen und was genau machst Du bei Accelleron?
Im Unternehmen bin ich seit 2006. Aktuell arbeite ich als Supplier Quality Engineer. Diese Funktion habe ich seit drei Jahren inne. Zuvor war ich bei uns in der Qualitätssicherung im Wareneingang tätig. Damals war ich für die Prüfplanung im Wareneingang zuständig, hatte aber nur selten direkten Kontakt zu Lieferanten wie heute. Heute bin ich hauptsächlich für die Freigabe der Herstellungsprozesse bei unseren Lieferanten verantwortlich. Wir bemustern also nicht nur das fertige Teil eines Lieferanten, sondern wir fragen uns: Wie kommt der Lieferant zum Teil? Und bereits auf diesem Wege, also im Herstellungsprozess, setzen wir an.
Damit wir uns das noch besser vorstellen können: Wie sieht Dein Alltag als Supplier Quality Engineer aus?
Ich gehe vor Ort zu unseren Lieferanten und unterstütze sie darin, stabile Prozesse aufzubauen. Das Ziel ist es, dass jedes gelieferte Teil dann genauso bei uns ankommt wie das Muster. Mindestens einmal im Monat besuche ich Kunden. Wenn das in der Schweiz ist, bin ich dafür meistens einen Tag unterwegs, wenn ich in Schweden oder in der Türkei bin, bin ich mehrere Tage unterwegs.
Wie leicht ist es für Dich, so nah an Euren Lieferanten dran zu sein und so viel Einblick in die Organisation und Abläufe Eurer Lieferanten zu erhalten?
Ich bin natürlich darauf angewiesen, dass unsere Lieferanten mir ihre Prozesse zeigen. Wir erleben da interessanterweise kaum Gegenwind. Die meisten Lieferanten empfangen uns sehr offen und sind froh, dass jemand von extern Inputs bringt. Wichtig ist: Ich rede ihnen nicht in die Herstellung rein. Dafür sind sie die Spezialisten. Ich suche nach sogenannten Gaps oder Quality Gates, die am falschen Ort gesetzt sind.
Wenn Du zum ersten Mal zu einem Lieferanten kommst, der noch nie mit Dir zu tun hatte: Wie schaffst Du es, dass sie Dir gegenüber offen sind?
In den ersten fünf Minuten sage ich immer: «Ich bin nicht da, um ein Audit zu machen». Das betone ich drei Mal, und dann werden die Leute locker und fühlen sich wohl. Wichtig ist, dass ich die richtigen Fragen stelle, wenn ich zu den Lieferanten gehe. Also Fragen, die sie weiterbringen und ihnen helfen, sich zu verbessern.
Wie funktioniert das mit Lieferanten, die nicht Deutsch sprechen?
Mit den Lieferanten ausserhalb des deutschsprachigen Raums spreche ich Englisch. Das mit der Sprache klappt immer irgendwie. Ich habe nie einen Englischkurs besucht. Ich habe das im Tagesgeschäft gelernt und bin damit überall durchgekommen. Inzwischen mache ich auf Englisch Dokumente und schreibe Berichte. Das ist kein Problem.
Was ist für Dich das Spannendste an Deinem Job?
Das Spannendste an meinem Job ist der Einblick in die anderen Firmen. Ich bin europaweit unterwegs, auch in Übersee (ausser Indien und China). Ich sehe in verschiedene Branchen rein, weil ich von kleinen Schrauben über grosse Gussteile alles begleite. Ich sehe all die Fabriken und Prozesse. Interessant dabei ist, wie die Leute mit Problemen umgehen: Es gibt so viele Ideen, wie man komplizierte Sachen ganz einfach lösen kann. Oder auch die Art, wie die Menschen in unterschiedlichen Kulturen mit Problemen umgehen. Da kann man viel lernen. Und was mir bezüglich der Arbeit an der Qualität gefällt: Am Ende vom Tag ist etwas da, das erreicht wurde. Auch wenn es zum Beispiel nur ein Formular ist, das nach Jahren endlich korrekt ausgefüllt wird. Fertig bist Du nie, aber Du kannst immer etwas erreichen.
Was sind Deine Erfahrungen mit den verschiedenen Kulturen? Gibt es Ort, wo Du besonders gerne bist oder wo Du Überraschungen erlebt hast?
Ich bin gerne in Tschechien in der Nähe von Brünn unterwegs. Das ist eine coole Stadt. Am Abend ist da etwas los, man isst gut und es gibt gutes Bier. Vor der Türkei hatte ich beim ersten Besuch mega Respekt, war dann aber total positiv überrascht. Der Standard der Fabrik dort war mindestens wie hier in der Schweiz. Die detaillierteste Dokumentation, die ich jemals gesehen habe und die nicht nur auf dem Papier funktioniert, sondern die wirklich gelebt wird, habe ich in der Türkei gesehen.
Wenn wir intern in Deine eigene Organisation schauen: Wie gross ist da Dein Einfluss auf Eure Unternehmensergebnisse? Hast Du ein Beispiel dafür, was Du konkret selber verbessern kannst?
Prozessqualifikationen gibt es bei uns erst seit zwei Jahren. Wir haben das eingeführt, weil wir grosse Schwankungen in der Qualität von Serienlieferungen hatten. Da haben wir jetzt Verbesserungen erreicht. Das funktioniert natürlich nicht von alleine, sondern darum musst Du Dich intensiv kümmern. Es ist nicht damit getan, dass Du einmal beim Lieferanten vorbeigehst, 27 Folien zeigst und danach wird alles besser. Wir haben uns mit den verantwortlichen Personen bei unseren Lieferanten beschäftigt, viel kommuniziert und diskutiert. Das ist reine Beziehungspflege. Ich erlebe, dass die Lieferanten gerne mehr für ihre Qualität machen, aber sie wissen häufig nicht, was der Kunde wirklich braucht und wer dort dafür der Ansprechpartner ist. In einer grossen Firma wie Accelleron mit so vielen Lieferanten bin ich zwar oft ein Einzelkämpfer, aber mein Vorteil ist, dass ich direkt mit unseren Lieferanten kommunizieren kann. Den verantwortlichen Einkäufer informiere ich, damit er Bescheid weiss.
Wann hast Du das NDS begonnen und warum?
Ich habe 2021 mit dem Nachdiplomstudium begonnen. Das Thema Qualität ist ja immer so was, wo die Leute reinrutschen. Niemand macht das direkt nach der Lehre. Ich bin da auch reingerutscht und finde ich es wichtig, dass ich etwas in der Hand habe und vorweisen kann, dass ich mich in diese Richtung entwickelt habe. Wenn ich ehrlich bin: Ja, ich wollte ein Papier, auf dem draufsteht, dass ich einen anerkannten Abschluss habe.
Ein Rückblick am Ende Deines Studiums: Was war für Dich wirklich wichtig?
Für meinen Job selbst, für die Tätigkeiten, die ich mache, war das NDS gar nicht so wichtig. Viel mehr hat mir das Studium für das Umfeld meines Jobs genützt. Wie kommuniziert man mit dem Management oder mit dem Werkstattpersonal, mit Personen, mit denen man zusammenarbeiten muss, ohne deren Vorgesetzter zu sein? Wie wichtig es ist, sich solche Fragen in meinem Job zu stellen, ist mir erst im Studium bewusst geworden. Jetzt kann ich mich viel sicherer zwischen all den Stakeholdern bewegen, mit denen ich zu tun habe.
Gab es sonst noch Themen für Dich, die wichtig waren?
Ja, das Thema Prozessdokumentationen im Qualitätsmanagementsystem war für mich wichtig. Ich bin bei uns auch für die Verwaltung der Prozessdokumentationen, Arbeitsanweisungen und Anwenderhandbücher der gesamten Einkaufsabteilung verantwortlich. Für mich war es sehr interessant zu sehen, wie andere in anderen Organisationen das handhaben und welche Möglichkeiten es gibt.
Was hat Dich im Studium überrascht und was hat Dir gefehlt?
Überrascht hat mich bereits am ersten Schultag, woher die anderen Studierenden kamen. Ich hatte mit vielen Leuten aus produzierenden Unternehmen gerechnet. Dass so viele Teilnehmende aus Dienstleistungsbetrieben ein Studium zum diplomierte*n Qualitätsmanager*in machen, hatte ich nicht gedacht. Entsprechend hatte ich dann auch mehr produktionsspezifisches Wissen erwartet: Wie kann man Qualität messen und bewerten und welche Methoden gibt es da zum Beispiel für Messsystemanalyse?
Wovor hattest Du zu Beginn des Studiums am meisten Respekt?
Vor dem ganzen Aufwand. Darum habe ich mich dann auch für das NDS mit Unterrichtseinheiten alle zwei Wochen am Freitag und Samstag entschieden. Das konnte ich mit Job und Familie vereinbaren. Jedes Wochenende im Unterricht zu sein wäre mir zu viel gewesen. Ich finde, so kann man das gut unter einen Hut bringen, auch wenn es alles zusammen viel ist. Meine Motivation war: Am Ende das schöne Gefühl und die Befriedigung, es geschafft zu haben.
Was waren dann tatsächlich die grössten Herausforderungen für Dich und wie hat es dann funktioniert, Familie, Beruf und Studium zu vereinbaren?
Für meine beiden Kinder, 6- und 8-jährig, war es einfach so: Papa ist am Samstag in der Schule. Ich hatte manchmal zu wenig Zeit für die Leistungsnachweise eingerechnet: Das war doch mehr Aufwand, als ich dachte. Ich bin sowieso der Typ, der da am Abend vor Abgabe so von 21 bis 1 Uhr dransitzt. Manchmal waren das dann eben auch mal drei oder vier Tage hintereinander bis 1 Uhr morgens. Einmal waren wir in den Ferien und ich arbeitete jeden Abend an einem Leistungsnachweis, den ich noch abgeben musste. Die Kinder hat das nicht gestört, meine Frau aber schon etwas…
Was war im Studium unerwartet für Dich?
Wir sind ja mit Online-Unterricht gestartet. Das war speziell, die Klasse «remote» kennenzulernen. Dann kann man ja keine Kaffeepause zusammen machen. Als wir uns dann das erste Mal in Präsenz getroffen haben, war das speziell. Die Leute sind live ganz anders.
Das, was ich mache, hat sich nicht verändert, aber wie ich es mache, hat sich verändert. Ich fühle mich jetzt sicherer im Umgang mit verschiedenen Stakeholdern und habe mehr Selbstvertrauen, wenn ich zum Beispiel mit dem Management kommuniziere. Konkret ist es schwierig in Worte zu fassen, was das mit der Weiterbildung zu tun hat, aber ich bin in der Lage, Dinge lockerer zu nehmen.
Einer unserer Dozenten hat mal gesagt: Was passiert, wenn nichts passiert? Diese Frage ist mir geblieben und ich stelle sie mir manchmal selber. Aber ich weiss auch, wenn man schnell reagieren muss. Ich schätze jetzt mehr zuerst das Risiko ein. Wenn es für mich ein hohes Risiko ist, dass zum Beispiel ein falsches Teil zum Kunden geht, dann reagiere ich schneller als wenn es um ein Problem geht, dass wir seit 10 Jahren kennen und irgendwie damit leben können.
Neben den Inhalten, die im Studium vermittelt wurden, habe ich auch sehr viel aus den Gesprächen mit den anderen Teilnehmenden gelernt. Es gab sicher Inhalte, die für mich anfangs gar nicht so interessant waren, aber da war dann die Mischung in der Klasse cool: Genau diese Inhalte waren dann für andere sehr wichtig und in den Diskussionen und Gruppenarbeiten bekam das dann auch für mich eine ganz andere Gewichtung.
Was sind Deine Highlights im Studium, an die Du Dich spontan erinnerst?
Wir hatten oft Aufgaben in 4-er- oder 5-er-Gruppen und mussten dafür Flipcharts gestalten. Am Anfang kostete uns das einige Überwindung und die Dozierenden hielten uns an, das schön zu machen. Am Ende des Studiums waren unsere Plakate dann richtige Kunstwerke und echte Highlights für uns selbst, weil wir in kurzer Zeit quasi aus dem Nichts super Ideen mit den verschiedenen Leuten aus verschiedenen Branchen erarbeitet hatten.
Wo geht Dein nächster Lieferantenbesuch hin?
Mein nächster Besuch ist im Oktober bei einem Lieferanten in Italien geplant, in der Nähe von Bologna.
Dann wünschen wir Dir viel Erfolg und hoffentlich etwas Zeit für ein bisschen «Dolce Vita», das Du Dir nach der bestandenen Diplomprüfung unbedingt verdient hast.